Natürlich wurde östlich von Rostock schon immer geimkert. Viele dortige Imker waren Mitglied im zweitältesten Imkerverein Mecklenburgs, dem Ersten Imkerverein Rostock von 1876.
Aber es gab auch eigenständige Imkervereine in diesem Gebiet. 1903 nannte Paul Neumann den 1902 gegründeten Imkerverein Teschendorf, der bis in die 1930er Jahre bestand und dessen Einzugsgebiet mit dem des heutigen Imkervereins Broderstorf übereinstimmte, auch wenn es keine Kontinuität zwischen ihnen gibt - allerdings lebt unsere Vorsitzende in eben diesem Teschendorf, das ein Ortsteil der Gemeinde Broderstorf ist. Der Teschendorfer Verein war klein und zeichnete sich nie durch besondere Aktivität aus, aber es gibt doch einige Nachrichten aus der mecklenburgischen Imkerzeitschrift "Uns Immen".
1926 war nichts los, aber der Verein existierte. Aus dieser Meldung geht das Gründungsjahr 1902 hervor. Die "besonders gelobten Demit-Beuten" kennt heute kein Mensch mehr. Und der Verein hatte mehr Bienenvölker als der heutige.
1932 nahm kein Vertreter mehr an der Landesversammlung in Ribnitz teil und es wurde auch kein Tätigkeitsbericht mehr abgeliefert:
Anfang 1934 meldet Frau Erika Kentmann aus Sanitz in "Uns' Immen" in der letzten veröffentlichten Verbandsstatistik, dass der Verein doch noch existiert: Vorsitzender sei der Lehrer H. Peters aus Broderstorf. Aber 1933 hatten keine Versammlungen stattgefunden und Mitglieder- wie Völkerzahlen fehlen. Tatsächlich reagierte der Vorsitzende auf die "Fehlmeldung" und hielt im Juni noch eine Versammlung ab, von der dieser schöne Bericht erhalten ist:
Das war es dann aber. Richtig abgemeldet oder aufgelöst wurde der Verein jedoch nicht, denn noch 1936 wurde bemerkt, dass er keinen Zuchtobmann bestellt hat:
Der "Altveteran der Bienenzucht aus Brinckmansdorf", Herr Wiechert, tauchte 13 Jahre später noch einmal in der Imkerpresse auf: 1947 brannte sein Bienenstand im Gretenwäschenweg 11 komplett ab, war aber zum Glück versichert.
Weitere Vereine im heutigen Vereinsgebiet bestanden in Kavelstorf, Mönchhagen, Dettmannsdorf-Kölzow und Bentwisch. Einer der größten Vereine im ganzen Lande war von 1884 bis 1990 der IV Tessin, der sich leider zur Wende in Luft auflöste.
Überregional bekannt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Imker in unserer Vereinsgebiet waren Karl Pinkpank vom Imkerverein Rostock und Walter Kittmann vom Imkerverein Tessin. Beide waren Lehrer und werden in der Sanitzer Schulchronik erwähnt. Sie vertraten sich als Lehrer gegenseitig, Pinkpank lebte von 1928 bis 1945 als Küster und Lehrer in Sanitz, während Kittmann in Vietow lehrte und ein "strammer Nazi" war. Pinkpank war bis 1933 Pressesprecher des Deutschen Imkerbundes und Kittmann Trachtbeobachter des Landesverbandes. 1933 verhinderte Kittmann mit dem Argument, Pinkpank sei kein NSDAP-Mitglied, dessen Wahl in den Landesverbandsvorstand und wurde in einer Art "Staatsstreich" selbst Landesverbandsvorsitzender. Am 1.5.1945 wurde Kittmann in Doberan von Volkssturmleuten erschossen. Pinkpanks Bienenstand in Sanitz am Küsterhaus wurde zerstört, von wem, weiß man nicht. Pinkpank wurde als Lehrer entlassen und zog nach Ribnitz, von wo er den Landesverband neu gründete.
Im Herbst 1945 wurde er neuer Landesverbandsvorsitzender (also Kittmanns Nachfolger), verstarb aber bereits am 1.2.1947; wenige Tage danach erschien seine Broschüre "Die Bienenzucht".
Mehr zu Karl Pinkpanks Person findet Ihr hier: http://iv-schwaan.blogspot.com/2015/01/karl-pinkpank.html
Und hier der Text seiner Broschüre: http://iv-schwaan.blogspot.com/2017/01/karl-pinkpank-die-bienenzucht.html
Pinkpanks Sohn Ernst-Günther war Pastor in Behren-Lübchin und verfasste ein schönes Imkerbuch für Anfänger: "Das Bienenjahr" (1954).
Aus der Zeit vor 1945 sind zwei Bilder von der Imkerei in unserem Vereinsgebiet überliefert: eins zeigt ausgerechnet Kittmanns Stand in Vietow - eine imposante 3-Flügelanlage für 100 Völker:
Kittmann verzog 1934 nach Doberan und sein Lehrernachfolger Brandt übernahm den Stand. 1945 war dann aber Schluss: Umsiedler bewohnten die Schule und verheizten den Bienenstand. Aus dem Gelände wurde später der Schulgarten. Heute (2018) ist das alles Privatbesitz und in Vietow ist kein Imker mehr Mitglied in unserem Verein.
Das zweite erhaltene Foto zeigt zwei Bienenwagen des Siedlers Otte in Gubkow:
Aus Gubkow ist auch heute ein Imker Mitglied in unserem Verein.
Um 1930 wurden zahlreiche Landlehrer aufgefordert, für den Atlas der Deutschen Volkskunde zahlreiche Fragen zum Brauchtum zu beantworten, darunter auch einige zur Imkerei auf dem Lande. Aus unserem Vereinsgebiet sind u.a. zwei Fragebögen erhalten, die wohl von Karl Pinkpank aus Sanitz und Walter Kittmann aus Vietow ausgefüllt wurden:
Wen die Sache interessiert, der Redakteur dieser Seite hat alle 388 Fragebögen auf seinem Rechner und kann diese auch übersenden.